Was hat das Volkszählungsurteil bewirkt?

Geschrieben am 24.07.2017 von:

Sabine Pernikas

Rechtsanwältin | Fachanwältin für IT-Recht
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Mit Sorge betrachten viele die momentan deutschlandweit durchgeführte Haushaltsbefragung zum Thema Datenschutz und Datenschutzrecht. Letzteres wurde maßgeblich vom Volkszählungsurteil im Jahr 1983 geprägt. Das Bundesverfassungsgericht hatte damals aufgrund einer geplanten Volkszählung über das zugrundeliegende Gesetz zu entscheiden (BVerfG Urteil vom 15.12.1983, Az.: 1 BvR 209/83, 1 BvR 484/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 440/83).

Bei einer Volkszählung wird entgegen des Wortlauts nicht bloß die Bevölkerung gezählt, sondern es werden umfangreiche Informationen erhoben und gesammelt. Die Befragten müssen Angaben zu Familie und Lebenspartnerschaft, Wohnsituation, Kinderbetreuung, Schule / Studium, Erwerbstätigkeit und Beruf und Ausbildung machen. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann genutzt werden, um auf neue gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren oder Gesetze zu erlassen bzw. anzupassen.

Was ist eine Volkszählung?

Die Teilnahme an einer Volkszählung war schon immer verpflichtend und ist aktuell in § 13 MZG, § 15 BStatG geregelt. Die Befragten werden dabei gezwungen, sehr viele Informationen über sich und auch ihre Angehörigen preiszugeben. Das hat schon immer für Unmut gesorgt und gipfelte in diversen Verfassungsbeschwerden gegen das dem Volkszählungsurteil zugrunde liegende Volkszählungsgesetz. Das Datenschutzrecht hatte sich bis zu diesem Urteil nur langsam entwickelt. Das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts war daher sozusagen ein Meilenstein. Das Gericht entwickelte darin erstmals das sogenannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist damit seit dem Volkszählungsurteil als Grundrecht anerkannt.

Die Kernaussage dieses Grundrechts ist, dass jeder grundsätzlich das Recht hat, selbst darüber zu bestimmen, wer bestimmte Daten über ihn erhält. Dieses Recht darf nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, was zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und zur Verabschiedung des Mikrozensusgesetzes (MZG) sowie des Bundesstatistikgesetzes (BStatG) führte. Aufbauend darauf gilt heute im Datenschutzrecht der Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten nur zulässig, wenn die betroffene Person darin eingewilligt hat oder eine gesetzliche Norm dies erlaubt. Personenbezogene Daten sind gem. § 3 Abs. 1 BDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.

Anonyme Daten bei der Haushaltsbefragung?

Im Rahmen der Haushaltsbefragung werden die Daten der betroffenen Personen gem. § 3 Abs. 6 BDSG anonymisiert. Dies führt dazu, dass die Daten nicht mehr personenbezogen sind und das Bundesdatenschutzgesetz daher nicht mehr anwendbar ist. Die Anonymisierung erfolgt durch die getrennte Speicherung der Namen und Anschriften einerseits und der sonstigen Daten andererseits.

Namen und Anschriften dürfen auch ohne Anonymisierung gespeichert werden, da nur so die Organisation der verpflichtenden Teilnahme nach § 13 MZG, § 15 BStatG gewährleistet werden kann. Da sämtliche Daten der Teilnehmer anonymisiert werden, besteht nicht die Gefahr einer Beeinträchtigung von Rechten oder Interessen. Im Gegensatz zu dem damaligen Volkszählungsgesetz dient die heutige Befragung ja auch nicht der Ermöglichung einer Rasterfahndung. Es geht vielmehr um die Gewinnung repräsentativer Informationen über die Bevölkerung.


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