Geschrieben am 12.03.2020 von:
Wann ist Werbung irreführend? Wann kann man für Werbeslogans abgemahnt werden? Und welche Besonderheiten gelten für Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben – der Bundesgerichtshof (BGH) bezieht Stellung. In seinem neuen Urteil zu Kundenbewertungen auf Amazon verschafft er zumindest in einer Hinsicht Klarheit: Händler haften grundsätzlich nicht für Kundenbewertungen!
Was ist eigentlich Werbung?
Der Begriff der Werbung ist denkbar weit auszulegen. Darunter fällt alles, was auch nur indirekt der Absatzförderung dienen kann oder eine werbliche Botschaft enthält. Klassische Beispiele hierfür sind Angebote, Veranstaltungseinladungen, Feedbackanfragen oder auch Kundenzufriedenheitsumfragen. So weit, so gut. Doch wann ist Werbung unzulässig?
Irreführende Werbung
Vereinfacht ausgedrückt ist Werbung jedenfalls dann nicht erlaubt, wenn der Kunde durch irreführende werbliche Angaben zu einer Handlung – meist einem Kauf – beeinflusst wird, die er ohne diese Werbung wohl nicht getätigt hätte. Das Gesetz zum unlauteren Wettbewerb (kurz: UWG) spricht dann von einer irreführenden geschäftlichen Handlung. Nicht selten führt diese „verbotene Handlung“ für den Werbetreibenden zu einer unerwünschten Abmahnung.
Werden beispielsweise unwahre Angaben über Produktmerkmale gemacht, ist diese Aussage für Marktteilnehmer (wie Verbraucher) irreführend. Aber auch wahre Aussagen, die jedoch mehrdeutig und daher zur Täuschung geeignet sind, können als irreführend angesehen werden. Die Marktteilnehmer sollen hierdurch bestmöglich geschützt werden. Der Katalog verbotener Werbemaßnahmen bzw. -aussagen ist (verständlicherweise) lang und für Werbetreibende oft nicht leicht zu überblicken.
Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben
Unerlaubte Werbemaßnahmen, Werbeslogans oder gesundheitsbezogene Angaben sind regelmäßig Gegenstand von Gerichtsverfahren. Insbesondere (unerlaubte) Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben ist ein Paradebeispiel. Gerade im Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittelbereich kommt es immer wieder vor, dass Anbieter ihren Produkten gesundheitsfördernde Wirkungen zuschreiben, um hierdurch Verbraucher „anzulocken“. Der Vorteil: Die Kassen des Anbieters klingeln. Doch nicht immer hält das Produkt, was es verspricht.
Aus diesem Grund gibt es zahlreiche Regelwerke wie die Health Claims Verordnung, das Heilmittelwerbegesetz oder andere Normen, die Käufer in diesem besonders sensiblen Bereich vor vielversprechenden, aber nutzlosen, unwahren oder missverständlichen Werbeslogans schützen sollen. Wie ist nun aber die Aussage zu beurteilen, dass Kinesiologie-Tapes zur Schmerzbehandlung geeignet seien?
Die Entscheidung des BGH
Bereits im November 2013 musste ein Anbieter von Kinesiologie-Tapes eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben. Er verpflichtete sich hierdurch, online nicht mehr damit zu werben, dass sein Produkt zur Schmerzbehandlung geeignet sei. Für eine Schmerzlinderung durch Anwendung dieser Tapes gibt es nämlich bislang keine medizinisch gesicherten Nachweise.
Nun hatte der zuständige Zivilsenat sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob gegen diese Verpflichtung verstoßen wurde (BGH, Urteil vom 20.02.2020, Az. I ZR 193/18). Auslöser dafür waren Kundenbewertungen auf Amazon.
Der Anbieter vertreibt Kinesiologie-Tapes auch auf Online-Plattformen wie Amazon. Kunden können die dort angebotenen Produkte bewerten. Durch die technische Ausgestaltung werden beim Aufruf eines bestimmten Produkts verkäuferunabhängig automatisch alle Kundenbewertungen angezeigt, die für dieses Produkt auf Amazon abgegeben wurden. In den Kommentierungen zu den Tapes waren nun Aussagen wie „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ oder „schmerzlinderndes Tape!“ zu lesen.
Die Klägerin, ein eingetragener Wettbewerbsverein, sah hierin einen Verstoß gegen die vom fraglichen Anbieter unterzeichnete Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Sowohl das Ausgangsgericht, das Berufungsgericht und nun auch der BGH als Revisionsgericht waren jedoch anderer Auffassung.
Unmissverständlich handele es sich bei den genannten Kundenbewertungen um „irreführende gesundheitsbezogene Angaben“. Allerdings hätten diese Aussagen keinen werblichen Charakter bzw. könnten sie dem Händler nicht zugerechnet werden. Der Händler habe mit diesen irreführenden Kundenbewertungen weder aktiv geworben noch diese veranlasst. Auch habe er nicht die inhaltliche Verantwortung für diese Kundenbewertungen übernommen bzw. sich diese Bewertungen zu nicht zu eigen gemacht. Der BGH verneinte infolgedessen einen „Zusammenhang“ zwischen dem Angebot des beklagten Händlers und die in den Bewertungen dargestellten irreführenden Kundenaussagen. Dem BGH zufolge ist der Händler darüber hinaus nicht verpflichtet, irreführende Kundenbewertungen zu verhindern bzw. diese entfernen zu lassen.
Bedeutung der Entscheidung für Online-Händler
Die Entscheidung ist sehr erfreulich für Händler, die ihre Produkte über Online-Plattformen wie Amazon und eBay vertreiben. Sie haften nicht für „falsche“ Kundenbewertungen, sofern diese Bewertungen verkäuferunabhängig vom jeweiligen Plattformanbieter platziert werden und die Händler sich diese Kundenaussagen nicht zu eigen machen. Der BGH hat damit die Position von Online-Händlern erheblich gestärkt und Kundenbewertungssystemen eine wichtige Funktion zugesprochen.
Wenn Sie ebenfalls Produkte online vertreiben und sich bei der rechtskonformen Ausgestaltung Ihres Online-Shops unsicher sind, können Sie uns gerne schreiben!
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