Geschrieben am 26.08.2024 von:
Bei der Gestaltung von Vergabeverfahren stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit Auftraggeber vorgeben dürfen, dass Bieter Leistungen selbst erbringen müssen. Seit der letzten Vergaberechtsreform gilt bei europaweiten Vergaben, dass eine solche Vorgabe für „bestimmte kritische Aufgaben“ zulässig ist. Bislang wurde dieser unbestimmte Rechtsbegriff allerdings kaum durch die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen konkretisiert. In einem Beschluss hat sich die VK Lüneburg nunmehr ausführlich mit den Voraussetzungen eines solchen Selbstausführungsgebots des Bieters auseinandergesetzt (VK Lüneburg, Beschl. v. 14.10.2022 – VgK-17/2022). Sie hielt das im konkreten Fall vorgegebene Selbstausführungsgebot für zulässig. Entscheidend hierfür war die sorgfältige Dokumentation des Auftraggebers.
Ein Auftraggeber schrieb für ein Bauvorhaben unter anderem Leistungen bezüglich eines Behelfsbauwerks, eines Tunnels sowie Verkehrsanlagen in einem europaweiten offenen Verfahren aus. In den Vergabeunterlagen leistete er folgende Vorgabe: „Die Hauptleistungen aus den Losen 1 – Behelfsbauwerk (Stahlverbundbrücke inkl. Gründung) und 3 – Tunnel (Baugrubenverbau und Tunnelbau) sind zwingend durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft zu erbringen.“
Der Auftraggeber erstellte für die interne Dokumentation einen vierseitigen Vermerk, in dem er technische, volkswirtschaftliche und verkehrliche Gründe für dieses Selbstausführungsgebot aufführte. Ein Bieter, dessen Angebot ausgeschlossen wurde, stellte nach erfolgloser Rüge einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Lüneburg. Zur Begründung führte er unter anderem an, dass das Selbstausführungsgebot nicht gerechtfertigt sei.
Aus Sicht der Vergabekammer ist das Selbstausführungsgebot jedoch nicht zu beanstanden. Grundsätzlich kenne das Vergaberecht zwar kein Selbstausführungsgebot des Bieters. Es stehe den Bietern vielmehr frei, zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie im Auftragsfall Nachunternehmer einsetzen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.12.2008 – Verg 51/08). Sofern im Einzelfall außergewöhnliche Umstände vorlägen, aufgrund derer sich bestimmte Leistungsbestandteile nicht für eine Übertragung auf einen Nachunternehmer eignen, könne ein Selbstausführungsgebot allerdings zulässig sein (vgl. EuGH, Urt. v. 07.04.2016 – Rs. C-324/14). Diesen Anforderungen habe das Vorgehen des Auftraggebers hier genügt.
Wichtig zu beachten ist, dass bei der nationalen Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen ein Selbstausführungsgebot hingegen grundsätzlich ohne Weiteres zulässig ist.