Geschrieben am 24.07.2023 von:
Das Bundesarbeitsgericht mit Sitz in Erfurt hat durch sein Urteil vom 29. Juni 2023 (Az.: 2 AZR 296/22) klargestellt, dass ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Grundsätze bei der offenen Videoüberwachung von Arbeitnehmer*innen nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot in einem späteren Kündigungsschutzprozess führt. Doch was war passiert und welche Ausführungen traf das Bundesarbeitsgericht noch?
Der Schichtarbeiter hat, nachdem er das Werksgelände betreten hatte, dieses vor Schichtbeginn wieder verlassen und dabei dennoch den Lohn für die nicht geleistete Schicht eingezogen. Dieses Vorgehen wurde von der am Werkstor mit einem entsprechenden Hinweis angebrachten und gut einsehbaren Videokamera aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen wurden auf einen anonymen Hinweis hin ausgewertet. Der Arbeitgeber reagierte auf den Vorfall mit der fristlosen, hilfsweise ordentlichen, Kündigung.
Hiergegen legte der Schichtarbeiter Kündigungsschutzklage ein. Sein Argument: Die Videoaufzeichnungen dürften gar nicht verwendet werden. Zum einen sei die ausgeschriebene Aufbewahrungsdauer von 96 Stunden überschritten worden. Zum anderen sei in der Betriebsvereinbarung festgehalten, dass die Videoaufzeichnung nicht zur Auswertung personenbezogener Daten verwendet werden dürfte.
Die Vorinstanzen gaben der Klage des Schichtarbeiters statt. Das Bundesarbeitsgericht kassierte die Entscheidung auf die Revision hin und verwies die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zur erneuten Verhandlung. Dabei spiele es im vorliegenden Fall keine Rolle, ob die Vorschriften der DS-GVO eingehalten worden seien, da die Datenerhebung offen erfolgte und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede stand. Das Tatsachengericht sei dazu angehalten, die betreffende Bildsequenz in Augenschein zu nehmen und dürfe diese auch verwerten. Auch die Betriebsvereinbarung könne die Aufklärungs- und Erforschungspflicht des Gerichts nicht beschränken – der entsprechende Passus sei nicht zu beachten.
Wichtig bleibt zu betonen, dass es sich vorliegend um eine offene Videoüberwachung handelte. Die Grundzüge der Entscheidung sind daher nicht auf die verdeckte Videoüberwachung übertragbar. Hierfür gelten strenge Regeln. Ferner bleibt es bei der Einzelfallentscheidung, da das Tatsachengericht die widerstreitenden Interessen abwägen müsse – dies ist vorliegend unterblieben.
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