EuGH stellt strenge Anforderungen an Vorratsdatenspeicherung

Geschrieben am 16.01.2017 von:

Sabine Pernikas

Rechtsanwältin | Fachanwältin für IT-Recht
zum Profil

Kontaktiere mich:

+49 (0) 6232 – 100119 0
E-Mail senden

Der Europäische Gerichtshof hat die auf einer für ungültig erklärten EU-Richtlinie beruhende Vorratsdatenspeicherung (die europaweit aber durch nationale Regelungen zulässig ist) im Wesentlichen für unzulässig erklärt und damit wohl die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur gleichen Frage vorweg genommen (EuGH Urteil vom 21.12.2016, Az.:C-203/15; C-698/15). Schon seit Jahren befassen sich Gerichte in Deutschland und Europa mit der Frage nach der Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung. Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht haben die früher zugrundeliegenden Richtlinien und Gesetze für unzulässig erachtet und damit die nationalen Gesetzgeber gezwungen, die rechtlichen Rahmenbedingungen fortwährend zu überarbeiten.

Dies geschah in Deutschland zuletzt im Jahr 2015, als der Bundestag ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet und dabei versucht hat, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Auch gegen dieses neue Gesetz wurden zahlreiche Verfassungsbeschwerden erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung jedoch nicht im Rahmen eines Eilverfahrens gestoppt, sondern führte ein reguläres Hauptverfahren durch. Die endgültige Entscheidung steht hier noch aus, wobei die Richter in Karlsruhe bereits verlauten ließen, dass sie das Fernmeldegeheimnis auch durch das neue Gesetz als verletzt ansehen. Kritisch bewerteten die Richter auch die angebliche Speicherung von Daten ohne Inhalt.

EuGH entscheidet über Fälle aus Schweden und England

Auch in anderen Ländern müssen die Gerichte über die Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung entscheiden. Der Europäische Gerichtshof hatte daher über 2 verbundene Vorabentscheidungsverfahren aus Schweden und England zu entscheiden und nahm nun im Wesentlichen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorweg. Die Luxemburger Richter entschieden, dass die schwedischen und englischen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung nicht mit der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (2002/58/EG) und der Grundrechtecharta vereinbar sind. Entscheidend für Deutschland ist in diesem Zusammenhang, dass die Richter in den Entscheidungen strenge Voraussetzungen festlegen, unter denen eine nationale Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gerade noch mit der EU-Datenschutzrichtlinie und der Grundrechtecharta vereinbar sein kann.

Weil die Vorratsdatenspeicherung genaue Rückschlüsse auf das Privatleben der betroffenen Personen zulässt, soll sie einen besonders schweren Grundrechtseingriff darstellen. Hinzu kommt, dass die Daten ohne Benachrichtigung der Betroffenen erhoben werden und so ein Gefühl der ständigen Überwachung erzeugt werden könnte. Die Richter legten daher den Grundsatz fest, dass die Speicherung auf das Notwendigste beschränkt werden muss. Dies gilt nicht nur für die Auswertung der Daten, sondern schon für deren Erhebung. Zwar war das Gericht der Meinung, dass die nationalen Gesetzgeber durchaus eigenständige Regelungen zur näheren Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung treffen können, jedoch dürfen Ausnahmen dadurch nicht zur Regel werden.

Strenge Anforderungen an Rechtfertigung

Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff wie bei der Vorratsdatenspeicherung kann immer nur mit der Bekämpfung besonders schwerer Straftaten gerechtfertigt werden. Die nationalen Regelungen müssen diesbezüglich klar und präzise sein. Außerdem muss immer der Zweck der Speicherung angegeben werden, da nur so gewährleistet werden kann, dass diese tatsächlich auf das absolut nötigste Maß beschränkt wird. Ferner legten die Richter fest, dass die gespeicherten Daten auch tatsächlich zur Bekämpfung schwerer Straftaten geeignet sein müssen. Um das sicherzustellen, müssen die nationalen Gesetzgeber Regelungen aufstellen, die dies mittels objektiver Anknüpfungspunkte gewährleisten.

Der Zugang zu den gespeicherten Daten darf schließlich nicht durch eine abstrakte Zweckbindung geregelt werden, sondern nur durch präzise materiell- und verfahrensrechtliche Vorschriften. Auch hierzu sind objektive Maßstäbe notwendig. So darf nach Ansicht der Richter der Zugang nur zu Daten von Personen gewährt werden, die im Verdacht der Begehung oder Planung einer schweren Straftat stehen. Hier soll aber folgende ausdrückliche Ausnahme gelten: wenn Interessen der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung oder der öffentlichen Sicherheit durch terroristische Aktivitäten bedroht sind, dürfen ausnahmsweise auch Daten von anderen Personen erhoben werden, wenn dadurch ein wirksamer Beitrag zur Bekämpfung der drohenden Gefahr geleistet werden kann. Der Zugang muss – mit Ausnahme von Eilfällen – auch immer im Voraus durch ein Gericht kontrolliert und die betroffene Person in Kenntnis gesetzt werden.

Entgegen der ursprünglichen Einschätzungen hat der Europäische Gerichtshof damit für die nationalen Gesetzgeber sehr strenge Voraussetzungen vorgegeben. Da diese sogar über die der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinausgehen, muss dieses sich wohl an dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes orientieren. Voraussichtliche Folge wird sein, dass auch das neu verabschiedete deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt werden wird.


Zurück zu den News