Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf

Geschrieben am 22.07.2019 von:

Sabine Pernikas

Rechtsanwältin | Fachanwältin für IT-Recht
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Das Entfernen einer an einer Matratze angebrachten Schutzfolie schließt die Rückgabe dieses online erworbenen Produkts nicht aus. Der Verbraucher kann den Online-Kauf der Matratze auch in diesem Fall widerrufen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich entschieden (BGH, Urteil vom 03.07.2019, AZ.: VIII ZR 194/16).

Rücknahmeverweigerung durch Online-Händler

Der Kläger bestellte zu privaten Zwecken bei einem Online-Shop eine Matratze, die ihm in einer Schutzfolie geliefert wurde. Diese entfernte der Kläger nach der Lieferung, um die Matratze zu testen. Anschließend wollte er die Matratze an den Online-Händler zurückgeben. Dieser verweigerte die Rücknahme und verwies auf die Widerrufsbelehrung in seinen AGB, der zufolge das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, vorzeitig erlischt, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Der Kläger sah sich jedoch im Recht und beauftragte selbst eine Spedition mit dem Rückversand der Matratze. Er nahm den Online-Händler gerichtlich auf Rückzahlung des Kaufpreises und Zahlung der Transportkosten in Anspruch.

Einheitliche Entscheidungen: Matratze kein Hygieneartikel

Der Rechtsstreit drehte sich im Wesentlichen darum, ob eine Matratze unter den Ausnahmetatbestand des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB fällt, nach dem ein Widerrufsrecht unter anderem nicht bei Hygieneartikeln besteht. Bereits die Vorinstanzen gaben dem Kläger Recht und sprachen diesem die Erstattung des Kaufpreises sowie der Transportkosten zu, woraufhin der Online-Händler beim BGH Revision einlegte. Der BGH legte diese Frage als Vorabentscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vor, da die vorgenannte deutsche Regelung Art. 16 e) der europäischen Verbraucherrechterichtlinie umsetzt.

In seiner Entscheidung vom 27.03.2019 (Rechtssache C‑681/17) vertrat der EuGH die Auffassung, dass Matratzen nicht als Hygieneartikel gemäß Art. 16 e) Verbraucherrechterichtlinie zu qualifizieren sind, sodass das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen werden könne. Demzufolge sei der Verbraucher nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts gehindert, weil er die Schutzfolie einer im Internet gekauften Matratze entfernt hat. Unter Bezugnahme auf diese Vorabentscheidung entschied der BGH im Sinne des EuGH. Folglich muss der Online-Händler dem Kläger nach Ausübung seines Widerrufsrecht den Kaufpreis und die verauslagten Transportkosten erstatten. Der BGH verglich die Matratze mit einem Kleidungsstück, welches bei der Anprobe auch Körperkontakt aufweise. Er ging davon aus, dass es Online-Händlern bei Matratzen, ebenso wie bei Kleidung, durch Reinigung bzw. Desinfektion möglich sei, diese Produkte wieder in einen verkaufsfähigen Zustand zu bringen. Das Widerrufsrecht solle nämlich gewährleisten, dass der Verbraucher die Ware zu Hause in Ruhe prüfen und ausprobieren kann. Insofern sollen dem Verbraucher beim Online-Kauf keine Nachteile im Vergleich zum Kauf in einem Ladengeschäft entstehen, bei dem ihm ein Test der Matratze grundsätzlich problemlos möglich wäre.

Weitreichendes Widerrufsrecht

Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung erneut, dass das Widerrufsrecht für Verbraucher sehr weit auszulegen ist und selbst die gesetzlichen Ausnahmetatbestände sehr restriktiv anzuwenden sind. Damit zeigt er sich wie gewohnt von seiner verbraucherfreundlichen Seite.


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