Wann dürfen öffentliche Aufträge nachträglich geändert werden?

Geschrieben am 20.02.2024 von:

Lars Lange

Rechtsanwalt | Fachanwalt für Vergaberecht
zum Profil

Kontaktiere mich:

+49 (0) 40 – 822186008
E-Mail senden

(EuGH, 07.12.2023 – C-441/22, C-443/22)

Unter welchen Voraussetzungen öffentlich vergebene Aufträge nachträglich geändert werden dürfen, stellt öffentliche Auftraggeber seit jeher vor Herausforderungen.

Während Verträge normalerweise aufgrund der Privatautonomie der Vertragsparteien ohne Weiteres nachträglich geändert werden dürfen, ist dies bei öffentlichen Aufträgen nur möglich, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Dies liegt darin begründet, dass öffentliche Aufträge normalerweise in einem Vergabeverfahren vergeben werden. Dasselbe soll gelten, wenn es sich um wesentliche Vertragsänderungen handelt. Andernfalls würden potenzielle öffentliche Aufträge dem Wettbewerb entzogen.

Daher gilt der Grundsatz, dass „wesentliche“ Vertragsänderungen in einem neuen Vergabeverfahren vergeben werden müssen (§ 132 Abs. 1 S.1 GWB). Wesentlich sind Vertragsänderungen etwa, wenn es sich um eine deutliche Erhöhung des ursprünglichen Auftragswerts handelt (bspw. wenn der EU-Schwellenwert überschritten wird), oder wenn das ursprüngliche Vergabeverfahren bei Geltung der Änderung einen anderen Ausgang gehabt hätte.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich jüngst mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Vertragsänderung in diesem Sinne voraussetzt, dass die Änderung schriftlich zwischen den Parteien vereinbart wurde. In dem zu entscheidenden Fall hatten die Parteien die Vertragsänderung lediglich mündlich vereinbart. Der EuGH entschied, dass keine schriftlich fixierte Vereinbarung erforderlich ist, um von einer Vertragsänderung im Sinne des Vergaberechts auszugehen (EuGH, 07.12.2023 – C-441/22, C-443/22). Er begründete dies damit, dass andernfalls die Regelungen über nachträgliche Auftragsänderungen von den Parteien leicht umgangen werden könnten, indem sie diese Änderungen lediglich mündlich vereinbarten.

Von dem Grundsatz, dass wesentliche Auftragsänderungen ein neues Vergabeverfahren erfordern, gibt es gesetzlich definierte Ausnahmen. Dies liegt darin begründet, dass öffentlichen Auftraggebern ein gewisses Maß an Flexibilität zustehen soll, auf nachträgliche Änderungen zu reagieren.

Eine dieser Ausnahmen liegt vor, wenn unvorhersehbare Umstände eine Vertragsänderung erforderlich machen (§ 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GWB). Unvorhersehbare Umstände sind externe Umstände, die auch bei einer nach vernünftigem Ermessen sorgfältigen Vorbereitung der ursprünglichen Zuschlagserteilung durch den öffentlichen Auftraggeber nicht hätten vorausgesagt werden können.

Der EuGH hatte zuletzt die Fragen zu beurteilen, ob auch gewöhnliche Wetterereignisse oder ein bereits vor Vertragsschluss bekanntes gesetzliches Verbot unvorhersehbare Umstände im Sinne des Vergaberechts darstellen. Er verneinte beide Fragen (EuGH, 07.12.2023 – C-441/22, C-443/22). Gewöhnliche Wetterereignisse sind keine unvorhersehbaren Umstände, da der Ausnahmecharakter der Vorschrift erfordert, dass es sich um außergewöhnliche Ereignisse, wie etwa Naturkatastrophen handelt. Weitere Beispiele wären etwa die Corona-Pandemie oder eine Finanzkrise.

Gesetzliche Verbote können zwar grundsätzlich ein unvorhersehbarer Umstand sein. In dem zu entscheidenden Fall war jedoch bereits vor Vertragsschluss bekannt, dass das Verbot nach Vertragsschluss in Kraft treten würde. Daher war das Verbot nicht unvorhersehbar.

Weitere Ausnahmetatbestände können bspw. dann gegeben sein, wenn der Auftragnehmer ausgetauscht wird, es sich dabei jedoch um eine rein interne Umstrukturierung handelt, etwa bei einem Wechsel der Gesellschafter-Anteile an einer GmbH.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Frage der nachträglichen Änderung von öffentlichen Aufträgen ein komplexes und rechtlich anspruchsvolles Thema ist. Bei Fragen zum Thema „Auftragsvergabe im öffentlichen Sektor“ stehen wir gerne zur Verfügung. Ausführliche Informationen und Kontaktdaten finden du auf unserer Webseite.

 


Zurück zu den News