Start-up-Szene vorhanden – Eigenes Los für Entlassungsmanagement erforderlich!

Geschrieben am 16.08.2023 von:

Lars Lange

Rechtsanwalt | Fachanwalt für Vergaberecht
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Die Durchführung von Vergabeverfahren im Rahmen des sog. „Krankenhauszukunftsgesetzes“ (KHZG) stellt derzeit viele Aufgabenträger vor Herausforderungen. Aufgrund des engen Zeitplans müssen die Vergabeverfahren zügig durchgeführt werden, damit die Fördermittel in voller Höhe erhalten bleiben. Zugleich müssen die Vergabeverfahren jedoch auch die vergaberechtlichen Vorgaben einhalten. Ansonsten droht ebenfalls ein Verlust der Fördermittel.

Wie wichtig die sorgfältige Gestaltung der Vergabeverfahren ist, verdeutlicht eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern (VK Nordbayern, Beschl. v. 23.03.2023 – RMF-SG21-3194-8-6). Ein Auftraggeber hatte sämtliche Leistungen des digitalen Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassungsmanagements gesamthaft ausgeschrieben. Die VK Nordbayern entschied, dass der Auftraggeber für den Leistungsbereich „Entlassungsmanagement“ ein eigenes Los hätte bilden müssen.

Hintergrund ist das sog. „Gebot der Losaufteilung“. Dieser fundamentale vergaberechtliche Grundsatz verlangt, dass Leistungen getrennt nach Art oder Fachgebiet vergeben werden müssen. Hierdurch sollen die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigt werden. Nur ausnahmsweise dürfen mehrere Lose zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.

Im konkreten Fall hatte der Auftraggeber die Erstellung eines Patientenportalsystems ausgeschrieben. Eine Aufteilung des Auftrags in Lose für die einzelnen Leistungsbereiche nahm er nicht vor. Acht Unternehmen benannten in ihrem Angebot einen Nachunternehmer für das Entlassungsmanagement. Einer der Nachunternehmer griff schließlich das Vergabeverfahren mit der Begründung an, dass ein eigenes Los für den Leistungsbereich Entlassungsmanagement hätte gebildet werden müssen.

Die VK Nordbayern gab dem Nachprüfungsantrag statt. Die beabsichtigte Gesamtvergabe verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Nach ihrer Auffassung wäre es hier möglich gewesen, ein Los für das Entlassungsmanagement zu bilden, da sich für diese spezielle Leistung ein eigener Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen herausgebildet habe. Es habe sich eine Art Start-Up-Szene gebildet.

Zudem lagen keine wirtschaftlichen oder technischen Gründe vor, die eine Gesamtvergabe erforderlich gemacht hätten. Der Auftraggeber habe hier vielmehr fehlerhaft angenommen, dass kein eigener Anbietermarkt für die einzelnen Funktionsweisen des Patientenportals bestehe.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Auftraggeber*innen stets gründlich prüfen und dokumentieren müssen, ob es für einzelne Teilbereiche der Leistungen einen eigenen Anbietermarkt gibt. Falls es solch einen Markt gibt und die Leistungen dennoch gesamthaft vergeben werden sollen, müssen die wirtschaftlichen und technischen Gründe, die dies erfordern, sorgfältig geprüft und dokumentiert werden. Dies gilt insbesondere auch bei der anspruchsvollen Durchführung von Vergabeverfahren im Kontext des KHZG.

Aus der Perspektive von Start-ups zeigt die Entscheidung, dass es sich durchaus lohnen kann, eine unterlassene Losbildung anzugreifen. Die Entscheidung passt zu der aktuellen politischen Entwicklung, in der die Auftragsvergabe an Start-ups mehr und mehr gefördert werden soll.


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